Das Wahlprogramm der Grünen Baden-Württemberg für die Landtagswahlen im März 2011 steht unter dem Titel „Das neue Programm für Baden-Württemberg“. Es wurde auf der 25. Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Baden-Württemberg vom 4. bis 5. Dezember 2010 in Bruchsal beschlossen. Download
»Für eine aufgeklärte Suchtpolitik
Wenn der verantwortungsvolle Umgang mit Suchtmitteln das Ziel ist, dann ist die Kriminalisierung von KonsumentInnen der falsche Weg. Erst wenn Verbote und Strafen nicht mehr im Vordergrund stehen, gibt es Raum und Geld für effektive Hilfe.
Wir brauchen differenzierte Konzepte zur Förderung von Drogenmündigkeit, Suchtprävention und Drogenhilfe. Diese müssen auf Entkriminalisierung, Aufklärung und Prävention sowie auf sozialer und therapeutischer Unterstützung basieren. Für uns GRÜNE ist klar: Menschen, die ein problematisches Konsummuster aufweisen oder abhängig sind, haben das gleiche Recht, sich freiwillig einer medizinischen und psychologischen Behandlung zu unterziehen wie jeder Mensch mit einer anderen Krankheit auch. Ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen lehnen wir ab. Wir setzen stattdessen auf gezielte Präventionsmaßnahmen, Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzgesetzes, eine Stärkung der Vorbildfunktion von Erwachsenen und ein Verbot der Alkoholwerbung.
Um KonsumentInnen „weicher“ Drogen wie Cannabis von Dealern und dem illegalen Drogenmarkt fernzuhalten, wollen wir GRÜNEN unter Berücksichtigung des Jugendschutzes eine legale Abgabe durch öffentlich-rechtliche Stellen ermöglichen und in wissenschaftlich begleiteten Modellversuchen erproben. Ziel dabei ist es, die suchtpräventiven und schadensminimierenden Effekte sowie die sozialen Auswirkungen einer kontrollierten Cannabisabgabe zu untersuchen. Die Regelung zur „geringen Menge“, bei der ein Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt werden kann, soll sich an den Standards von Berlin und Nordrhein-Westfalen orientieren. Für uns GRÜNE ist und bleibt klar: Niemand darf berauscht am Straßenverkehr teilnehmen! Für Cannabis und anderen Drogen fordern wir analog zum Alkohol gesetzliche (Blutkonzentrations-)Grenzwerte. Der Konsum von Drogen alleine ist kein Grund für führerscheinrechtliche Folgen.
Außer auf Prävention und Suchthilfe setzen wir verstärkt auf Überlebenshilfen. Substitution ist ein eigenständiges Therapiekonzept und eine wirksame Maßnahme, um Opiatabhängigen Wege aus der Beschaffungskriminalität zu ermöglichen.
Substitutionsangebote – einschließlich der dazugehörigen psychosozialen Betreuung – müssen auch im ländlichen Raum und im Strafvollzug sichergestellt sein. Schwerstabhängigen soll auch in Baden-Württemberg eine wohnortnahe Diamorphinabgabe angeboten werden. Wir fordern die Landesregierung auf, sich an den entstehenden Kosten zu beteiligen. Drogenkonsumräume retten Leben, deshalb muss die Landesregierung die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um Kommunen deren Einrichtung zu ermöglichen. Zur Prävention von Infektionskrankheiten wie HIV fordern wir Spritzenautomaten, auch und gerade im Strafvollzug.
Sowohl von illegalen Drogen wie auch von legalen, über das Internet zu beziehenden Medikamenten geht durch ihre bislang unkontrollierte Zusammensetzung eine beträchtliche Gefahr aus. Mehrere Länder machen es Deutschland vor, wie auch in diesem sensiblen Bereich präventiver Verbraucherschutz niederschwellig praktiziert werden kann. In Anlehnung an solche Modelle fordern wir, auch in Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit den Apotheken, den Suchtschwerpunktpraxen und den Verbraucherschutzstellen erschwingliche und vor allem vertrauliche Möglichkeiten zur Analyse dieser Substanzen anzubieten. Dies fördert Gefahrenbewusstsein und -abwehrbereitschaft und nicht den Konsum selbst, wie manchmal angenommen wird.«