Frankfurt: Der Ortsbeirat 1 möge beschließen: LEGALE VERKAUFSSTELLEN FÜR CANABISPRODUKTE

Antrag vom 31.01.2014, PDF Version: Canabisverkaufsstellen

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
1. Der Magistrat wird aufgefordert, eine oder mehrere legale Verkaufsstellen für Cannabisprodukte an hierfür geeigneten Orten einrichten zu lassen.
2. Zusammen mit Fachleuten soll außerdem geklärt werden, wie ein Modellversuch zur Abgabe von Cannabis zur medizinischen Nutzung und als Genussmittel aussehen sollte. Ziel soll ein Antrag für eine entsprechende Ausnahmegenehmigung nach §3 (2) BtMG beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sein.
Das Projekt sollte nach Möglichkeit wissenschaftlich begleitet werden.
3. Im Vorfeld soll der Magistrat außerdem gemeinsam mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern einen Runden Tisch zum Thema verantwortungsvolle Regulierung von Cannabis auf der kommunalen und Gemeindeebene einberufen.

BEGRÜNDUNG:
Cannabis birgt für die Konsumierenden sowie für die Gesellschaft Risiken. Die Gesellschaft wird indirekt durch den Schwarzmarkt, auf dem mafiöse Strukturen und organisierte Kriminelle aktiv sind, bedroht sowie durch die Kosten für die Strafverfolgung belastet.

Für die meisten Konsumierenden von Cannabisprodukten ist Strafverfolgung die schlimmste Nebenwirkung und nicht der Konsum von Hanf. Laut dem jährlichen Bericht der Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) zur Drogensituation in Deutschland 2012 haben circa 3 Millionen Menschen im letzten Jahr Cannabis konsumiert. Jemals Cannabis konsumiert haben ca. 15 Millionen Menschen, im letzten Monat waren es 1,5 Millionen. Dieser Antrag soll nicht für mehr Drogenkonsum werben oder Drogen einfacher verfügbar machen, im Gegenteil: Es geht darum, den im Moment ungezügelten Schwarzmarkt zu kontrollieren.

Zweck und Ziel des geltenden Betäubungsmittelgesetzes ist (laut Regierungsvorlage des Betäubungsmittelgesetzes 1981, BTDrucks. 8/3551, S. 23 f.) der Schutz der menschlichen Gesundheit sowie eine Regelung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln, um deren Sicherheit und Kontrolle zu gewährleisten, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen und den Missbrauch von Betäubungsmitteln sowie das Entstehen oder Erhalten einer Betäubungsmittelabhängigkeit zu verhindern. Dies ermöglicht auch einen liberalen Umgang mit der Materie und erfordert nicht zwingend einen repressiven Umgang und eine unnötige Kriminalisierung von Konsumierenden und Versorgenden.

Der §3 (2) BtMG erlaubt explizit Ausnahmegenehmigungen „zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken“. In einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Januar 2000 (AZ2 BvR 2382 – 2389/99) heißt es: „Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist danach auch ein öffentlicher Zweck, der im Einzelfall die Erteilung einer Erlaubnis (…) rechtfertigen kann.“ Über den §3 (2) BtMG kann jede Person, aber auch jeder Verein und jede Gemeinde einen Modellversuch zur Abgabe von Cannabis beantragen. Das bundesdeutsche Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger lief beispielsweise ebenfalls über diesen Paragraphen.

Dass die aktuelle Drogenpolitik der Verbote gescheitert ist zeigt sich besonders im Ortsbezirk 1 an vielen Orten. Das Bahnhofsviertel, die Konstablerwache, das Allerheiligenviertel, der Schönplatz und die angrenzenden Straßen sind nur einige Beispiele für allseits bekannte Cannabis-Handelsplätze. Dazu kommen noch ungezählte private Möglichkeiten, sich mit Cannabis und Cannabisprodukten zu versorgen. Trotz unzähliger Razzien und weiterer für die SteuerzahlerInnen sehr kostenintensive Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen sind die Konsumierenden mehr und auch jünger geworden. Gleichzeitig ist der Wirkstoffanteil in den verschiedenen Cannabisprodukten gestiegen und das bei stabilen Preisen.

Die aktuelle Situation zeigt: Es ist an der Zeit, diese Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, neue Wege zu beschreiten, diese zu untersuchen und je nach Ergebnis zu optimieren. Wir müssen an wirkungsvollen Lösungen arbeiten. Länder wie Uruguay oder US-Staaten wie Colorado und Washington haben es jüngst vorgemacht und beste Erfahrungen mit der Prohibitionsaufhebung gemacht. Andere Länder ziehen nun nach und wollen dem Beispiel folgen, da es umgehend die erhofften Wirkungen zeigte.

Die Mehrheit der Menschen in Hessen spricht sich laut einer EMNID Umfrage gegen die heutige Kriminalisierung und für eine Liberalisierung in der Cannabispolitik aus. In keinem Bundesland waren die Menschen weniger zufrieden mit der aktuellen Drogenpolitik und in keinem Flächenland waren mehr Menschen für eine Legalisierung von Cannabis!

In Deutschland gab es bereits mehrere ähnliche Anträge zur Thematik. In Berlin erhielt er eine Mehrheit. Sogar im konservativen Bayern werden in Städten wie Passau, Regensburg und Nürnberg Diskussionen hierzu geführt. Wir sollten dem in Hessen und gerade in einer drogengeplagten Stadt wie Frankfurt nicht nachstehen. Es ist an der Zeit, die ideologischen Schützengräben zu verlassen und endlich eine Drogenpolitik zu etablieren in der die Gesundheit und der Schutz des Menschen im Mittelpunkt steht.
Durch eine kontrollierte Abgabe von Cannabis können wir die verheerenden Folgen des illegalen Marktes eindämmen, einen wirklichen Verbraucherschutz einführen und durch gezielte Ansprache den Personen, die problematische Konsummuster entwickeln oder bereits haben, früher und besser helfen. Nur indem wir den Verkauf von der dunklen Ecke in geregelte und kontrollierte Pfade lenken, ist es möglich – wie bei Alkohol, Kaffee, Tabak auch ein Reinheitsgebot für Cannabis durchzusetzen, den gehandelten Stoff auf seine Stärke zu kontrollieren und sicherzustellen, dass keine gefährlichen Beimischungen enthalten sind. Nur durch einen legalen Markt kann der Handel kontrolliert und somit auch verhindert werden, das bereits an Jugendliche Cannabis verkauft wird. Für all das braucht es den Mut, neue Wege zu gehen.

Eine erstmalige kontrollierte Abgabe sollte in einem definierten Umfang stattfinden und wissenschaftlich evaluiert und aufbereitet werden. Dabei stellen sich verschiedenste Fragen, die vor allem die Auswirkungen einer kontrollierten Abgabe auf die Gesundheit, den Schwarzmarkt oder den Jugendschutz betreffen. Wir würden einen Ansatz, ein Modellprojekt in Zusammenarbeit mit Hilfe- und Therapieeinrichtungen durchzuführen begrüßen. Drogenberatungsstellen, der Deutsche Hanfverband (DHV) und andere Organisationen und Einrichtungen können hier beratend zur Seite stehen.

Wir fordern den Frankfurter Magistrat daher auf, weiterhin eine humane und progressive Drogenpolitik zu unterstützen und Wege und Mittel zu finden, um den kontrollierten Verkauf von Cannabisprodukten im Ortsbezirk 1 zu ermöglichen.

Antragsteller:
Costantino Gianfrancesco

Andreas Laeuen
(Fraktionssprecher)